Millionen für die Feinde der Demokratie? Warum eine wehrhafte Republik klare Kante zeigen muss
- Kevin Kienle
- vor 4 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Ein Kommentar über staatliche Fördergelder, die gefährlich fehlgeleitet werden könnten.
Der Staat als Sponsor seiner Gegner
Es klingt wie Satire, ist aber real: Ab dem Jahr 2026 könnte die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) – parteinah zur AfD – staatliche Fördergelder in zweistelliger Millionenhöhe erhalten. Die Rede ist von bis zu 17 bis 18 Millionen Euro jährlich. Und das nicht etwa für eine gemeinnützige Organisation mit humanitärem Ziel, sondern für eine Stiftung, deren ideologisches Fundament tief im Milieu der Neuen Rechten verwurzelt ist.
Diese Entwicklung wäre nicht nur ein Novum, sondern ein Tiefpunkt demokratischer Selbstverteidigung. Denn der Staat würde sich in diesem Fall selbst schwächen, indem er ausgerechnet jene stärkt, die ihn in seinen Grundfesten infrage stellen.
Eine juristische Lücke mit politischer Sprengkraft
Bisher wurden parteinahe Stiftungen durch Gewohnheitsrecht finanziert, also ohne klare gesetzliche Grundlage. Die AfD und ihre DES blieben außen vor – auch, weil es politische wie zivilgesellschaftliche Vorbehalte gab. Doch 2023 urteilte das Bundesverfassungsgericht: Das geht so nicht. Eine Stiftung darf nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil sie einer unbeliebten Partei zugeordnet wird – es brauche ein Gesetz.
Und so verabschiedete der Bundestag Ende 2023 das sogenannte Stiftungsfinanzierungsgesetz (StiftFinG). Es legt fest: Eine parteinahe Stiftung kann gefördert werden, wenn die zugehörige Partei dreimal in Folge im Bundestag sitzt. Das trifft auf die AfD ab 2025 zu. Damit wäre die DES förderberechtigt – ungeachtet der Tatsache, dass die Partei seit 2024 vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ beobachtet wird.
Das ist, als würde man jemandem eine Waffe geben, der zuvor öffentlich angekündigt hat, sie gegen einen zu richten.
Was würde die DES mit dem Geld tun?
Die Stiftung gibt sich betont sachlich: Man wolle politische Bildung fördern, Konferenzen veranstalten, Stipendienprogramme aufbauen, den Dialog fördern. In ihrer Außendarstellung klingt das wie eine harmlose Denkfabrik.
Doch ein Blick in die Inhalte ihrer Veranstaltungen und Publikationen offenbart ein anderes Bild:
In Vorträgen wird über „Gender-Ideologie“ als Untergangsszenario gesprochen.
Migration wird nicht als Herausforderung, sondern als „Zerstörung unserer Kultur“ dargestellt.
Demokratische Institutionen – Medien, Gerichte, Parlamente – werden regelmäßig diffamiert.
Es gibt Verbindungen zu Akteuren des rechtsextremen Spektrums, von der Identitären Bewegung bis zu Vordenkern der „Remigrations“-Ideologie.
Mit dem erwarteten Budget von bis zu 18 Millionen Euro jährlich könnte die DES:
über 1200 Veranstaltungen pro Jahr bundesweit organisieren,
einen festen Mitarbeiterstamm von vermutlich 80 bis 120 Personen aufbauen,
Stipendienprogramme für „AfD-nahe“ Studierende initiieren,
eine eigene ideologische Bildungsinfrastruktur etablieren,
und ihre Themen in die Fläche tragen – mit dem Gütesiegel „staatlich gefördert“.
Der Preis der Prinzipienlosigkeit
Das ist mehr als Symbolpolitik. Es ist ein Akt politischer Naivität. Eine Demokratie muss wehrhaft sein, schrieb das Bundesverfassungsgericht selbst 1956 im Verbot der KPD. Wehrhaft bedeutet: nicht jeden demokratischen Spielzug als akzeptabel hinzunehmen, sondern dort eine Grenze zu ziehen, wo die Demokratie selbst angegriffen wird.
Das Prinzip der Gleichbehandlung – „jede Partei hat das gleiche Recht auf Förderung“ – ist nur dann sinnvoll, wenn alle Parteien sich auf die gleiche Spielregel einigen: den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Die AfD aber steht in weiten Teilen für das Gegenteil:
Sie attackiert das Parlament, in dem sie sitzt.
Sie diskreditiert den Rechtsstaat, von dem sie lebt.
Sie verbreitet Hass auf Minderheiten – in einer Gesellschaft, die Vielfalt schützen soll.
Und ihre Stiftung? Sie tut all das mit akademischer Rhetorik, vermeintlicher Bildungsarbeit – aber mit gleichem Ziel: die Verschiebung des Sag- und Denkbaren in autoritäre Richtungen.
Ein gefährlicher Präzedenzfall
Mit der DES-Finanzierung würde der deutsche Staat einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen: Dass Demokratiefeinde durch genau jene Regeln gefördert werden, die sie selbst ablehnen. Es ist, als würde man einen Schimmelpilz mit Feuchtigkeit gießen und sich dann wundern, warum er wächst.
Andere Länder gehen anders damit um. Frankreich etwa hat Mechanismen, um extremistische Organisationen von der Finanzierung auszuschließen. Deutschland hingegen vertraut oft auf eine Art „Verfassungspatriotismus“ – der allein nicht genügt.
Was wir brauchen, ist eine juristisch saubere, aber politisch klare Linie:
Ein „Demokratie-TÜV“ für parteinahe Stiftungen.
Eine inhaltliche Prüfung statt rein formaler Kriterien.
Und vor allem: politischen Mut, das Richtige zu tun, nicht das bequemste.
Demokratie ist kein Selbstläufer
Man kann Demokratie nicht fördern, indem man ihre Feinde fördert. Das ist keine Parole, das ist ein Grundprinzip. Der Staat ist nicht verpflichtet, alles zu tolerieren – schon gar nicht, wenn diese Toleranz dazu führt, dass seine Gegner stärker werden.
2026 wird zum Lackmustest: Wird sich Deutschland entscheiden, konsequent auf der Seite der Demokratie zu stehen? Oder wird es sich aus Angst vor der Auseinandersetzung selbst entkernen?
Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie braucht Haltung, Klarheit und die Bereitschaft, Grenzen zu ziehen. Auch – und gerade – bei der Vergabe von Fördermitteln.
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