Populismus als System-Hack: Wie einfache Narrative Nürnbergs politische Kultur bedrohen
- Gagandeep Singh (Romy)
- vor 2 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Populismus ist mehr als nur eine politische Stilfrage. Er ist, wie der Nürnberger Autor und Systemtheoretiker Vural Kaptan erklärt, ein „Hack“ im Betriebssystem unserer Gesellschaft – ein Angriff auf die komplexen Strukturen, die Demokratie am Laufen halten. In einem exklusiven Gespräch für den Podcast Echodialog by The Nuremberg Times erläutert Kaptan, wie populistische Bewegungen mit simplen Gegensätzen wie „Gut gegen Böse“ das Fundament demokratischer Prozesse ins Wanken bringen.
Die Folge beleuchtet, warum populistische Akteure nicht nur politische Gegner herausfordern, sondern ganze Institutionen wie Wissenschaft, Justiz und Medien angreifen. Besonders brisant: Kaptan sieht in der Auflösung klassischer Massenmedien und der ungebremsten Dynamik sozialer Netzwerke eine zentrale Schwachstelle, die Populisten für ihre Zwecke ausnutzen.
„Populismus ist ein geschlossenes System mit einem eigenen Code – Elite gegen Volk. Sobald Kritik von außen kommt, wird sie ins Gegenteil verkehrt und stärkt nur noch die eigene Erzählung“, so Kaptan im Gespräch.
Der Kampf um den gesellschaftlichen Rahmen
Historisch hatten Massenmedien eine Art Kontrollfunktion: Sie stellten sicher, dass es einen gemeinsamen Rahmen für gesellschaftliche Debatten gab. Heute, so Kaptan, sei diese Funktion weitgehend verloren. Plattformen wie TikTok oder Instagram erlaubten es, politische Botschaften ohne redaktionelle Filter zu verbreiten. Das Ergebnis: Polarisierung, Fragmentierung – und ein fruchtbarer Boden für extreme Positionen.
„Es fehlt uns ein gemeinsamer Bezugsrahmen“, warnt Kaptan. Diese Lücke werde von Populisten gezielt gefüllt, indem sie komplexe Themen auf einfache Feindbilder reduzieren. Für Nürnberg, eine Stadt mit vielfältiger politischer Tradition, birgt diese Entwicklung besondere Risiken. Ob beim Streit um lokale Bauprojekte oder bundespolitische Debatten, auch hier ist der Trend zu beobachten: Lautstarke Minderheiten dominieren die Diskurse – sachliche Auseinandersetzungen werden schwieriger.
Lösungsansätze: Stärkung statt Vereinfachung
Kaptan plädiert für einen unsentimentalen, aber klaren Ansatz: Nicht die Vereinfachung, wie Populisten sie anstreben, sondern die Stärkung der Komplexität der Subsysteme sei der Schlüssel. Dazu gehören eine unabhängige Justiz, eine robuste Wissenschaft und eine Wirtschaft, die trotz Konflikten ihre Funktionsfähigkeit bewahrt.
Gleichzeitig müsse die Gesellschaft lernen, mit Enttäuschung und Mehrdeutigkeit umzugehen. „Wir werden immer enttäuscht sein von diesen Subsystemen“, sagt Kaptan. „Aber statt nach einem Retter zu rufen, müssen wir Ambiguität aushalten.“
Ein Nürnberger Gespräch mit globaler Relevanz
Der Podcast zeigt, wie tiefgreifend die Mechanismen des Populismus wirken – und warum sie auch auf kommunaler Ebene, in Städten wie Nürnberg, nicht ignoriert werden dürfen. Für Hörerinnen und Hörer liefert er nicht nur eine theoretische Analyse, sondern auch konkrete Denkanstöße für den politischen Alltag.
Wer verstehen will, warum populistische Strategien so erfolgreich sind – und was wir ihnen entgegensetzen können – findet in dieser Episode wichtige Antworten.
Jetzt kostenlos anhören:
Kommentare