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Nach der Baustelle ist vor der Debatte: CSU will Nürnbergs Verkehr neu organisieren

Ein Platz atmet auf – und das Rathaus gerät unter Druck

Als am Rathenauplatz die letzten Absperrgitter verschwinden, ist das Aufatmen im Nürnberger Norden spürbar. Kaum ein Verkehrsknoten der Stadt stand in den vergangenen Jahren so sehr für Stillstand, Umwege und gereizte Nerven wie dieser Platz am Rand der Altstadt. Die Großbaustelle, von vielen nur noch als „Monsterbaustelle“ bezeichnet, ist abgeschlossen. Straßenbahnen fahren wieder regulär, Fahrbahnen sind freigegeben, der Verkehrsfluss normalisiert sich.


Doch mit dem baulichen Ende beginnt eine politische Debatte, die weit über den Rathenauplatz hinausweist. Die CSU im Nürnberger Stadtrat nutzt den Moment, um grundsätzliche Kritik am städtischen Verkehrs‑ und Baustellenmanagement zu formulieren – und fordert eine strukturelle Neuordnung im Rathaus: Verkehr, Baustellenkoordination und Mobilitätssteuerung sollen künftig in einem Referat gebündelt werden.


Jahre der Einschränkung

Der Rathenauplatz war mehr als eine Baustelle unter vielen. Über Monate – teilweise Jahre, wenn man die angrenzenden Bauabschnitte der Bayreuther Straße mitrechnet – war einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte Nürnbergs nur eingeschränkt nutzbar. Fahrspuren wurden reduziert, Straßenbahnlinien unterbrochen, Busse umgeleitet. Pendler standen im Stau, Anwohner klagten über Ausweichverkehr, Gewerbetreibende über sinkende Frequenz.


Aus Sicht der Stadtverwaltung war das Projekt notwendig: Gleisanlagen, Fahrbahnen und unterirdische Leitungen waren in die Jahre gekommen, Barrierefreiheit und Radverkehr sollten verbessert werden. Der Rathenauplatz wurde zum Symbol einer Verkehrswende, die nicht nur neue Prioritäten setzt, sondern auch massive Eingriffe in den Alltag bedeutet.


Dass der Platz nun früher fertiggestellt wurde als andere Abschnitte des Gesamtprojekts, wertet die Verwaltung als Erfolg. Kritiker hingegen fragen: Warum ballten sich so viele große Maßnahmen zeitgleich – und warum fehlte es an spürbarer Entlastung?


CSU: „So darf Stadt nicht funktionieren“

Genau hier setzt die CSU an. In Stellungnahmen und Anträgen spricht sie von einer Überforderung der Stadt durch parallel laufende Großbaustellen. Der Rathenauplatz sei kein Einzelfall, sondern ein besonders sichtbares Symptom. Zu viele Akteure, zu viele Zuständigkeiten, zu wenig zentrale Steuerung – so lautet der Vorwurf.


Konkret fordert die CSU, den Verkehr organisatorisch neu zu denken. Planung, Baustellenkoordination, Verkehrslenkung und Mobilitätsmanagement sollen nicht länger über mehrere Referate und Dienststellen verteilt sein, sondern in einer klar verantwortlichen Einheit gebündelt werden. Ziel sei es, Baustellen besser zu takten, Verkehrsachsen strategisch freizuhalten und die Belastung für Bürgerinnen und Bürger zu reduzieren.


Der Rathenauplatz dient der CSU dabei als politisches Argument: Wenn ein einzelner Knotenpunkt über Monate hinweg den Verkehrsfluss ganzer Stadtteile beeinträchtigen kann, müsse die Steuerung grundlegend überprüft werden.


Die Verwaltung hält dagegen

In der Stadtverwaltung stößt diese Kritik auf Widerstand. Der Servicebetrieb Öffentlicher Raum und das Verkehrsplanungsamt verweisen auf komplexe Abhängigkeiten: Viele Maßnahmen seien technisch und zeitlich nicht beliebig verschiebbar. Leitungsarbeiten, Fördermittel, Sicherheitsauflagen und Abstimmungen mit Verkehrsunternehmen ließen sich nicht einfach zentral „wegmoderieren“.


Der Rathenauplatz sei nicht Ausdruck von Chaos, sondern von notwendiger Erneuerung.

Zugleich wird der CSU vorgeworfen, mit dem Begriff der „Monsterbaustelle“ gezielt Stimmung zu machen. Wer den Verkehr wirklich entlasten wolle, müsse langfristig denken – etwa durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und des Radverkehrs, nicht durch organisatorische Schnellschüsse.


Mehr als ein Platz

Unabhängig von der politischen Bewertung hat der Rathenauplatz eines deutlich gemacht: Verkehr ist in Nürnberg längst kein reines Infrastrukturthema mehr, sondern ein gesellschaftlicher Konfliktpunkt. Jede Baustelle wird zur Zumutung, jede Umleitung zur politischen Frage. Die Geduld vieler Bürgerinnen und Bürger ist begrenzt – vor allem dann, wenn mehrere Großprojekte gleichzeitig spürbar werden.


Die CSU trifft mit ihrer Forderung daher einen Nerv. Die Frage, wie Stadtverkehr gesteuert wird, wer Verantwortung trägt und wie transparent Entscheidungen kommuniziert werden, dürfte den Stadtrat noch länger beschäftigen. Der abgeschlossene Bauabschnitt liefert dafür den konkreten Anlass.

Damit Nürnberg wieder läuft, brauchen wir endlich eine Stelle, die alle Verkehrs- und Baustellenprozesse bündelt. Eine klare Zuständigkeit. (Theo Deinlein, CSU-Stadtratskandidat)

Ausblick

Am Rathenauplatz selbst kehrt vorerst Normalität ein. Doch die nächste große verkehrspolitische Auseinandersetzung hat bereits begonnen – im Rathaus, nicht auf der Straße. Ob es zu einer Neuordnung der Referatsstruktur kommt, ist offen. Sicher ist nur: Die Monsterbaustelle ist Geschichte. Ihre politischen Nachwirkungen sind es nicht.


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