Kommentar: Braucht Nürnberg ein schulweites Handy-Moratorium?
- Kevin Kienle

- vor 5 Tagen
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In Bayern ist die private Handynutzung an Schulen grundsätzlich untersagt – so regelt es Artikel 56 Absatz 5 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen. Nur wenn eine Schule eine eigene Nutzungsordnung erlässt, dürfen Schülerinnen und Schüler ihr Smartphone während des Schultags verwenden.
Trotz dieser rechtlichen Grundlage wird in Nürnberg bislang kaum darüber gesprochen, ob diese Regelung zeitgemäß ist – oder ob sie stärker durchgesetzt werden sollte. Laut der JIM-Studie 2023 (Jugend, Information, Medien) verbringen Jugendliche in Deutschland durchschnittlich rund 205 Minuten täglich mit ihrem Smartphone. Lehrkräfte berichten laut einer Erhebung des Deutschen Schulportals 2024, dass Ablenkung und Konzentrationsprobleme dadurch im Unterricht zunehmen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Sollte Nürnberg prüfen, ob ein schulweites Handy-Moratorium sinnvoll wäre – nicht als Strafe, sondern als pädagogisches Experiment?
Die Vorstellung eines schulweiten Handy-Moratoriums klingt zunächst altmodisch, fast nostalgisch. Doch sie berührt einen wunden Punkt. Lehrkräfte berichten von sinkender Konzentration, ständiger Ablenkung und einem neuen Typus Unruhe, der mit jeder Push-Nachricht wächst. Eltern wiederum fürchten, dass das Smartphone ihre Kinder nicht nur unterhält, sondern erzieht – und zwar auf Plattformen, die kaum jemand versteht.
Ein Moratorium wäre ein Einschnitt, aber auch eine Chance. Es könnte den Raum öffnen für eine ehrliche Bilanz: Wie abhängig sind wir längst vom Bildschirm, auch im Klassenzimmer? Wo endet der Nutzen digitaler Medien, und wo beginnen sie, Bildung zu ersetzen statt zu fördern?
Gleichzeitig darf man sich nichts vormachen. Ein pauschales Verbot wäre Symbolpolitik, keine Lösung. Wer die Geräte einfach einsammelt, löst keine Probleme, sondern verschiebt sie – aus der Schule ins Private. Medienkompetenz entsteht nicht durch Wegnehmen, sondern durch Auseinandersetzung. Nürnberg könnte hier Vorreiter sein, wenn es wagt, beides zu denken: zeitweise Handy-Freiheit und gezielte digitale Bildung.
Der Gedanke eines Moratoriums muss also nicht das Ende, sondern der Anfang einer klugen Debatte sein. Wie könnte ein Modell aussehen, das Konzentration fördert, ohne die digitale Realität zu leugnen? Denkbar wären „handyfreie Zonen“ oder projektweise Einschränkungen, begleitet von Pädagoginnen und Psychologen. Eine Stadt, die sich sonst gern als Bildungsstandort positioniert, sollte den Mut haben, solche Fragen zu stellen, bevor die Probleme eskalieren.
Nürnberg braucht kein reflexartiges Handy-Verbot, aber es braucht den Mut, über eines zu sprechen. Denn die permanente Erreichbarkeit, die wir Erwachsenen längst als Normalität akzeptiert haben, prägt auch das Lernen. Eine Stadt, die Bildung ernst nimmt, darf sich nicht damit zufriedengeben, dass Kinder zwischen TikTok-Trends und Matheaufgaben pendeln.
Ein Handy-Moratorium wäre kein Rückschritt – sondern ein Moment der Selbstprüfung. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass Nürnberg diese Debatte eröffnet.




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