Die deutsche Automobilindustrie, einst das Aushängeschild der deutschen Wirtschaft, befindet sich in einer tiefgreifenden Krise. Die jüngsten Quartalszahlen der großen deutschen Autobauer verdeutlichen die Schwere der Situation: Volkswagen verzeichnete im dritten Quartal 2024 einen Gewinneinbruch von 63 % gegenüber dem Vorjahr, der Konzernüberschuss sank auf 1,6 Milliarden Euro. Bei BMW brach der Gewinn im gleichen Zeitraum sogar um fast 84 % auf nur noch 476 Millionen Euro ein. Auch Mercedes-Benz musste einen deutlichen Rückgang hinnehmen und senkte seine Gewinnprognose für das Gesamtjahr.
Diese alarmierenden Zahlen unterstreichen die Dringlichkeit der Herausforderungen, vor denen die Branche steht. Erstmals seit 30 Jahren könnte es bei Volkswagen zu betriebsbedingten Kündigungen und Werksschließungen kommen – ein bisher undenkbares Szenario in der deutschen Automobilindustrie. Die Krise betrifft nicht nur die Hersteller selbst, sondern hat weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Zulieferkette und den Arbeitsmarkt in Deutschland.
Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig und komplex. Sie reichen von der stockenden Nachfrage nach Elektrofahrzeugen über die schwache Konjunktur bis hin zur starken Abhängigkeit vom chinesischen Markt. Zudem sehen sich die deutschen Hersteller mit zunehmender Konkurrenz aus China konfrontiert, die nicht nur auf dem heimischen Markt, sondern auch in Europa an Boden gewinnt.
In dieser kritischen Situation stellt sich die Frage, wie die deutsche Automobilindustrie ihre globale Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen und sich für die Zukunft neu positionieren kann. Die folgenden fünf Hauptprobleme bilden den Kern der aktuellen Krise und müssen dringend angegangen werden, um eine Wende herbeizuführen:
Gründe für die Krise
Stockende E-Mobilität
Ein Hauptgrund für die aktuelle Krise der deutschen Automobilindustrie ist die stockendeNachfrage nach Elektrofahrzeugen. Nach dem abrupten Wegfall der Elektroauto-Prämie in Deutschland Ende 2023 ist die Nachfrage nach batteriebetriebenen Autos deutlich eingebrochen. Laut Kraftfahrt-Bundesamt wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 nur 276.390 reine Elektrofahrzeuge (BEV) neu zugelassen, was einem Rückgang von 28,6% gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Der Anteil der BEV an den Pkw-Neuzulassungen im Gesamtmarkt betrug lediglich 13,1%.Diese Entwicklung stellt die Hersteller vor mehrere gravierende Probleme:
Die Fabriken sind nicht ausgelastet: Volkswagen musste beispielsweise die Produktion in seinem E-Auto-Werk in Zwickau deutlich drosseln und Schichten streichen.
Es drohen hohe Strafzahlungen wegen verschärfter EU-Flottenziele für den CO₂-Ausstoß ab 2025: Die EU-Kommission hat das Ziel gesetzt, die durchschnittlichen CO₂-Emissionen neuer Pkw bis 2025 um 15% gegenüber 2021 zu senken. BeiNichteinhaltung drohen Strafzahlungen von 95 Euro pro Gramm CO₂ über dem Zielwert, multipliziert mit der Anzahl der verkauften Fahrzeuge.
Die Verunsicherung der Kunden durch das "ewige Hin und Her bei der Elektromobilität": Eine Studie des Nürnberg Instituts für Marktentscheidungen zeigt, dass 41% der E-Auto-Besitzer die staatliche Förderung als wichtigsten Kaufgrund nannten. Der plötzliche Wegfall dieser Förderung hat zu erheblicher Verunsicherung geführt.
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer prognostiziert, dass der Absatz von Elektroautos im Jahr 2024 um bis zu 200.000 Fahrzeuge zurückgehen könnte. Dies wäre das erste Mal seit fast einem Jahrzehnt, dass das Wachstum in diesem Segment eine solche Verlangsamung erfährt.
Schwache Konjunktur und gesättigter Markt
Die konjunkturelle Unsicherheit sorgt insgesamt für ein schwaches Geschäft, besonders in Deutschland. Im August 2024 wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt 197.322 Fahrzeuge neu zugelassen, was einen Rückgang von fast 28 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat bedeutet. Für den Zeitraum von Januar bis August 2024 beläuft sich die Gesamtzahl der Neuzulassungen auf 1.907.226 Fahrzeuge, was keine Veränderung im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres darstellt.Der europäische Automarkt gilt als weitgehend gesättigt, und Experten erwarten kein nachhaltiges Wachstum. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet für das Gesamtjahr 2024 nur mit 2,8 Millionen Neuzulassungen in Deutschland, was etwa ein Viertel weniger als im Vorkrisenjahr 2019 wäre.Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Produktionszahlen wider. Laut VDA stieg die Produktion in Deutschland im August zwar auf 313.700 Fahrzeuge, was einer Zunahme von 24% im Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht. Für den Zeitraum Januar bis August 2024 wurden jedoch insgesamt nur 2.723.100 Fahrzeuge produziert, was einem leichten Rückgang von 2% im Vergleich zum Vorjahr entspricht.Die Sättigung des Marktes zeigt sich auch in der Pkw-Dichte: Laut Statistischem Bundesamt erreichte die Zahl der zugelassenen Autos in Deutschland Anfang 2024 mit 49,1 Millionen Pkw einen neuen Höchststand. Die Fahrzeugdichte stieg auf 580 Autos pro 1.000 Einwohner, was zwei Autos mehr als 2023 sind.Diese Zahlen verdeutlichen die schwierige Situation, in der sich die deutsche Automobilindustrie befindet, geprägt von einer Kombination aus schwacher Nachfrage nach Elektrofahrzeugen und einem gesättigten Gesamtmarkt.
Abhängigkeit von China
Die deutsche Automobilindustrie ist stark vom chinesischen Markt abhängig, wo sie rund ein Drittel ihres Geschäfts macht. Diese Abhängigkeit hat sich in den letzten Jahren zu einem erheblichen Risiko entwickelt. Die derzeit stockende Nachfrage in China trifft die deutschen Hersteller besonders hart:
BMW verzeichnete im dritten Quartal 2024 einen dramatischen Absatzrückgang von 30 % in China, den stärksten seit über vier Jahren.
Mercedes-Benz erlitt einen Rückgang von 13 % bei den Auslieferungen, vor allem bei Luxusmodellen wie der S-Klasse und Maybach-Limousinen.
Volkswagen meldete einen Rückgang von 15 % in China.
Gleichzeitig drängen neue chinesische Marken mit technologisch oft überlegenen E-Autos auch nach Europa:
BYD steigerte im September 2024 den Absatz von E-Autos und Hybriden um 45 % auf fast 418.000 Fahrzeuge.
Tesla erreichte im selben Monat mit 72.000 verkauften Autos in China ein Wachstum von 66%.
Die deutschen Hersteller haben Schwierigkeiten, mit den chinesischen Anbietern im Bereich der E-Mobilität mitzuhalten. Ihr Marktanteil in China ist von einem Viertel vor der Pandemie auf nun knapp 15 % gesunken, bei Elektroautos liegt er sogar unter 10%.
Hohe Produktionskosten
Deutsche Hersteller haben mit deutlich höheren Kosten für Energie und Personal zu kämpfen, was ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt:
Die Arbeitskosten in der deutschen Privatwirtschaft lagen 2023 bei 41,90 Euro pro Stunde, was Deutschland auf den fünften Platz in der EU bringt.
Im Verarbeitenden Gewerbe, zu dem die Automobilindustrie gehört, betrugen die Arbeitskosten sogar 46,00 Euro pro Stunde.
Die Lohnstückkosten in Deutschland stiegen 2023 um 6,6 %, etwas stärker als im Euroraum, mit 6,1%.
Die Produktion günstiger Einstiegsmodelle lohnt sich in Deutschland daher kaum noch. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer schätzt, dass die Kosten im Durchschnitt um mindestens 3.000 bis 4.000 Euro pro Fahrzeug gesenkt werden müssen, bei E-Autos sogar noch deutlich mehr.
Im internationalen Vergleich fällt Deutschland als Industriestandort immer weiter zurück. VDA-Präsidentin Hildegard Müller kritisierte kürzlich, dass dringend gegengesteuert werden müsse.
Staatliche Subventionen und Unterstützung
Es ist wichtig zu betonen, dass die deutsche Automobilindustrie in den letzten Jahren erhebliche staatliche Unterstützung erhalten hat. Diese Subventionen sollten die Branche stärken und den Übergang zur E-Mobilität fördern:
In den letzten zehn Jahren hat die Autoindustrie in Deutschland insgesamt rund 1,15 Milliarden Euro an Subventionen vom Bund erhalten.
Seit 2016 zahlte der deutsche Staat Zuschüsse in Höhe von 13,9 Milliarden Euro für den Kauf elektrisch betriebener Fahrzeuge.
Der Bund investierte rund 3,7 Milliarden Euro in den Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge.
Viele Bundesländer haben zusätzliche Förderprogramme aufgelegt.
Seit 2015 wurden Steuererleichterungen im Zusammenhang mit der Automobilbranche in Höhe von 1,2 Milliarden Euro gewährt.
Im Vergleich dazu erhielten chinesische Autohersteller zwischen 2021 und 2023 rund 5,7 Milliarden Euro an direkten Fördergeldern und profitierten von etwa 10 Milliarden Euro an Steuervergünstigungen. Der chinesische Elektroautohersteller BYD erhielt allein im Jahr 2022 direkte Subventionen in Höhe von 2,1 Milliarden Euro.
Die Rolle von KKR in der deutschen Automobilindustrie
Der amerikanische Private-Equity-Investor Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR) spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der deutschen Automobilindustrie und im Medienbereich. Die Strategie des Unternehmens scheint darauf ausgerichtet zu sein, kurzfristig maximale Gewinne aus der Verbrenner-Technologie zu ziehen, während gleichzeitig über Medienbeteiligungen Einfluss auf die öffentliche Meinung genommen wird.
Fokus auf Verbrenner-Technologie
KKR hat in den letzten Jahren mehrere bedeutende Investitionen in die Öl- und Gasindustrie sowie in Unternehmen getätigt, die stark von der Verbrenner-Technologie abhängig sind. Ein Bericht des Private Equity Climate Risks Consortium zeigt, dass KKR Beteiligungen an 188 fossilen Brennstoffanlagen in 21 Ländern hält. Diese Investitionsstrategie deutet darauf hin, dass KKR versucht, die verbleibende Zeit der Verbrenner-Technologie maximal auszunutzen.
Medienbeteiligungen und Einflussnahme
Gleichzeitig hat KKR bedeutende Investitionen im Medienbereich getätigt, insbesondere beim Axel-Springer-Verlag. Diese Konstellation könnte KKR in die Lage versetzen, über Medienkanäle wie „Bild“ und „Welt“ Stimmung gegen Elektroautos zu machen und so den Übergang zur E-Mobilität zu verzögern.
Diskrepanz zwischen Rhetorik und Handeln
Trotz öffentlicher Bekenntnisse zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz zeigt die Investitionsstrategie von KKR eine deutliche Diskrepanz. Während KKR behauptet, über 34 Milliarden Dollar in Klima- und Umweltnachhaltigkeit investiert zu haben, verursachen KKRs fossile Brennstoffinvestitionen schätzungsweise über 93 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent pro Jahr.
Fazit und Ausblick: Investitionen und Transformationsdruck
Die Aktivitäten von KKR verdeutlichen den Transformationsdruck, unter dem die deutsche Automobilindustrie steht. Während die traditionellen Hersteller mit dem technologischen Wandel kämpfen, sehen Finanzinvestoren wie KKR offenbar Chancen, durch gezielte Investitionen in auslaufende Technologien kurzfristig hohe Renditen zu erzielen.Für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie wird es entscheidend sein, wie gut es gelingt, trotz solcher Einflüsse notwendige Innovationen voranzutreiben und den Übergang zu nachhaltigen Technologien zu beschleunigen. Die Branche muss sich neu erfinden, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Dabei wird es wichtig sein, nicht nur auf weitere Subventionen zu setzen, sondern auch innovative Lösungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln.Trotz der Herausforderungen investieren deutsche Autohersteller weiterhin in wichtige Märkte:VW in den USA:
VW investiert 2 Milliarden Dollar in ein neues Werk für die Marke Scout in South Carolina.
Das Werk soll jährlich bis zu 200.000 Elektrofahrzeuge produzieren und 4.000 Arbeitsplätze schaffen.
VW erhält dafür Zuschüsse von 1,29 Milliarden Dollar im Rahmen des Inflation Reduction Act.
Audi in China:
Audi baut zusammen mit FAW ein neues Werk in Changchun für vollelektrische Modelle.
Die Vorserienproduktion begann Anfang 2024, die volle Produktion soll Ende 2024 starten.
Das Werk hat eine jährliche Kapazität von über 150.000 Fahrzeugen und soll neue Maßstäbe in Digitalisierung, Effizienz und Nachhaltigkeit setzen.
Audi plant, dort zunächst drei marktspezifische Modelle der Baureihen A6 e-tron und Q6 e-tron zu fertigen.
Diese Investitionen zeigen, dass die deutschen Autohersteller trotz der aktuellen Schwierigkeiten weiterhin auf Wachstum in wichtigen Märkten setzen und versuchen, ihre Position im Bereich der Elektromobilität zu stärken. Die Branche steht vor der Herausforderung, einerseits den Transformationsdruck zu bewältigen und andererseits strategische Investitionen in Zukunftstechnologien und wichtige Märkte zu tätigen. Der Erfolg dieser Bemühungen wird maßgeblich darüber entscheiden, ob die deutsche Automobilindustrie ihre führende Position im globalen Wettbewerb behaupten kann.
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